Überlastung der Gerichte kein Grund für überlange Untersuchungshaft

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 11.06.2018 entschieden, dass  die Überlastung eines Gerichts kein Grund für eine überlange Untersuchungshaft ist (Az.: 2 BvR 819/18).

In dem entschiedenen Fall befand sich der Beschwerdeführer seit dem 03.11.2016 wegen Verbrechenstatbeständen in Untersuchungshaft. Die Anklage vom 25.04.2017 wurde erst am 21.11.2017 vom zuständigen Gericht zugelassen. Die dort zuständige Kammer war so überlastet, dass zunächst eine neue Kammer errichtet werden musste.

Am 06.12.2017 begann die Hauptverhandlung. Bis zum 23.05.2018 hatte die neue Kammer 21 Termine anberaumt. Für den Zeitraum Juni bis August 2018 hat die Kammer einen bis zwei Termine pro Monat anberaumt, in der Zeit bis zum 09.01.2019 drei bis vier Termine pro Monat. Am 07.02.2018 beantragte der Beschwerdeführer Haftprüfung  die zunächst vom Landgericht und in der Beschwerde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen wurde, woraufhin der Beschwerdeführer das BVerfG einschaltete.

Dieses führte unter anderem aus, dass bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten sei. Grundsätzlich dürfe nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit entzogen werden.

Die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte müssten daher alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. So sei im Falle der Entscheidungsreife über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung zu beschließen und anschließend im Regelfall innerhalb von weiteren drei Monaten mit der Hauptverhandlung zu beginnen.

Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts könne insofern niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein. Vielmehr könne die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts selbst dann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht rechtfertigen, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruhe, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lasse. Die Überlastung eines Gerichts falle – anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse – in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Dem Beschuldigten dürfe nicht zugemutet werden, eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäume, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen.