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Kündigung wegen mehr als zweijähriger Freiheitsstrafe

Das Landesarbeitsgericht Hessen hat am 21.11.2017 unter Aktenzeichen 8 Sa 146/17 entschieden, dass ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis kündigen kann, wenn der Arbeitnehmer zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wird.

Zu beachten ist, dass es im entschiedenen Fall nicht um eine Straftat im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz ging. Allein die zu erwartende Abwesenheit von mehr als zwei Jahren sei ausreichend für die Kündigung. Übergangsmaßnahmen für einen so langen Zeitraum seien nicht nötig, insbesondere könne eine Haftstrafe nicht mit der Elternzeit verglichen werden, nach deren Ende ein Anspruch auf Wiederbeschäftigung bestehen kann.

Zudem könne auch die Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung oder ein Wechsel in den offenen Vollzug nicht berücksichtigt werden, da im Zeitpunkt der Kündigung derlei Entscheidungen noch nicht mit Sicherheit absehbar seien.

Anscheinsbeweis auch bei „Auffahrunfall“ auf Skipiste

Nach einer Entscheidung des Landgerichts Köln vom 15.08.2017   zu Az.: 30 O 53/17 soll auch bei einem Skiunfall ein Anscheinsbeweis gelten, nach dem vermutet wird, dass der Auffahrende den Unfall verschuldet hat. Das bedeutet konkret, dass im Zweifel der Auffahrende einen Gegenbeweis erbingen muss, was oft nicht gelingt. Dieser Grundsatz ist aus dem Straßenverkehrsrecht bekannt, wo er eine Vielzahl von Prozessen prägt.

BGH zur Verjährung im Mietrecht

Der BGH hat mit Urteil vom 08.11.2017 zu Az.: VIII ZR 13/17 entschieden, dass die formularvertragliche Verlängerung der sechsmonatigen Verjährungsfrist aus § 548 I BGB wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters unwirksam ist. Dies soll auch gelten, wenn gleichzeitig die für den Mieter geltende Verjährungsfrist aus § 548 II BGB mit verlängert wird.

Eine persönlich ausgehandelte Verlängerung, die sich nicht an den Regelungen zu AGBs messen lassen muss, dürfte weiterhin möglich sein.

Die kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB ist vielen Mandanten nicht bekannt, weshalb ich insbesondere jedem Vermieter ein kurzes Studium der Vorschrift empfehle.

Zeugenbeistand wird bedeutsamer

Seit Ende 2017 gilt eine neue Regelung bezüglich der Verpflichtung von Zeugen an Vernehmungen teilzunehmen. Bisher musste ein Zeuge einer polizeilichen Ladung nicht nachkommen. Verpflichtend war eine Aussage nur bei einer staatsanwaltlichen oder gerichtlichen Ladung. Mit dem neuen § 163 III StPO sieht die Sache nun anders aus. Hiernach kann auch die Ladung zur Zeugenvernehmung bei der Polizei verbindlich sein, wenn sie als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft tätig wird und ein staatsanwaltschaftlicher Auftrag (der wohl recht schnell, notfalls telefonisch, zu erhalten sein wird) zu Grunde liegt.  Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft sind in Hessen nach § 152 II GVG i.V.m. § 2 StAErmittPVO diverse Schutzpolizei -und Kriminalpolizeibedienstete.

Von erheblicher praktischer Bedeutung ist diese Änderung, da man auch als Zeuge schnell in die Schusslinie der Ermittlungsbehörden geraten kann, sei es weil man selbst mit der Tat zu tun hat oder bei einer wahrheitsgemäßen Zeugenaussage andere, eigene Straftaten aufdecken würde. Trotzdem ist man als Zeuge zur Aussage verpflichtet. Wann und bei welchen Fragen genau ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht wird der juristische Laie kaum erkennen und noch weniger durchsetzen können.

Nach der bisherigen Rechtslage wurde dieses Problem umgangen, indem solcherlei problematische Zeugenvernehmungen schlichtweg nicht wahrgenommen wurden. Die Akte ging dann irgendwann an die Staatsanwaltschaft und der Rechtsanwalt des Zeugen konnte vor der Pflichtaussage vor Gericht Akteneinsicht nehmen. Danach konnten die Risiken gut eingeschätzt und Strategien entworfen werden.

Heute wird einem Zeugen zu raten sein, zu einer Zeugenvernehmung nach § 163 III StPO einen anwaltlichen Zeugenbeistand mitzunehmen, wenn eine eigene Strafbarkeit auch nur ansatzweise in Betracht kommt.

Besonders deutlich wird die Problematik, wenn man sich in diesem Zusammenhang aktuelle BGH Rechtsprechung, ebenfalls von Ende 2017, ansieht. Nach dieser haben Strafverfolgungsbehörden einen Zeugen erst dann als Beschuldigten zu behandeln, wenn sich der Verdacht gegen ihn so verdichtet hat, dass der Zeuge ernstlich als Täter der zu ermittelnden Straftat in Betracht kommt. Die Grenzen des Beurteilungsspielraums sollen erst dann überschritten sein, wenn trotz starken Tatverdachts nicht von der Zeugenvernehmung zur Beschuldigtenvernehmung gewechselt wird und auf diese Weise die Beschuldigtenrechte umgangen werden (vgl. BGH Beschl. v. 7.9.2017 – 1 StR 186/17).

Das bedeutet, dass der Täter einer Straftat zunächst als Zeuge zur Vernehmung geladen wird, dort aufgrund der neuen Gesetzeslage ggf. erscheinen und aussagen muss, dabei Angaben macht, die ihn als Täter überführen und erst dann auf seine Beschuldigtenrechte zugreifen kann. An diesem Punkt werden die aber oft nicht mehr helfen.

Auch wenn sich diese neue Rechtslage bisher noch nicht bis zu allen Polizeidienststellen rumgesprochen hat, ist damit zu rechnen, dass dies irgendwann geschehen und diese solcherlei umfassende, neue Möglichkeiten zu nutzen wissen werden.

Illegales Autorennen in Hamburg

In Hamburg wurden zwei Beteiligte eines illegalen Autorennens in zweiter Instanz wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Einer der Täter erhielt eine 1 1/2 jährige Haftstrafe, der andere eine 2 jährige Haftstrafe die aber zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Wie bereits früher in unserer Neuigkeitenrubrik berichtet gilt inzwischen ein neuer § 315d StGB, der solche illegalen Straßenrennen künftig unter Strafe stellt. Bisher mussten, für eine über Ordnungwidrigkeiten hinausgehende Strafbarkeit, zusätzliche Straftatbestände verwirklicht worden sein, wie im  Hamburger Fall durch den Tod eines Menschen.

Bei Anwendung des neuen Gesetzes hätten in einem solchen Fall bis zu zehn Jahre Haft gedroht.

Das Aktenzeichen des Landgerichts Hamburg lautet 2351 Js 364/15 (709 Ns 28/17).

Vorsicht bei Abmahnungen einer berliner Anwaltskanzlei

Vorsicht bei Abmahnungen einer Anwaltskanzlei Gromball aus Berlin wegen angeblichen Urheberrechtsverletzungen. Es scheint sich um einen Betrugsversuch zu handeln, von dem sich der gleichnamige Rechtsanwalt auf seiner Internetpräsenz distanziert. Die Schreiben sehen professionell aus und auch die Versendung per Post erweckt den Eindruck der Echtheit.
Bei Zweifeln sollte unbedingt vor einer Zahlung Aufklärung betrieben werden.

Vorsorgliche ordentliche Kündigung neben fristloser Kündigung unwirksam?

Das Landgericht Berlin hat in einer Entscheidung vom 13.10.2017 zu Az. 66 S 90/17 entschieden, dass bei einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 543 II Nr.3 BGB) eine gleichzeitig vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung unwirksam sei, da mit der fristlosen Kündigung das Mietverhältnis sofort beendet sei. Falle etwa durch späteren Ausgleich des Rückstandes die fristlose Kündigung weg lebe die ordentliche Kündigung nicht wieder auf.

Bei der Entscheidung ist Vorsicht geboten, da es sich meiner Auffassung nach um eine Abweichung von der bisher gängigen Rechtsprechung, auch des Bundesgerichtshofs, handelt. Die möglichen Auswirkungen sollten dennoch berücksichtigt werden, bis über die für dieses Urteil zugelassene Revision entschieden wurde.

„Gekauft wie gesehen“ reicht nicht

Das OLG Oldenburg hat in einem Beschluss vom 28.08.2017 (Az.: 9 U 29/17) einen vollständigen Haftungsausschluss im Falle der Vermwendung des Satzes „Gekauft wie gesehen“ verneint. Auch wenn dies der Rechtsprechung des BGH entspricht und nicht gänzlich neu ist werden entsprechende Formulierungen noch immer regelmäßig verwendet und sind in alten Vordrucken, die auch im Internet abrufbar sind, noch immer enthalten. Das ist bedauerlich, da ein umfassenderer Haftungsausschluss im Gebrauchtwagenverkauf von privat an privat grundsätzlich zulässig ist, mithin vielfach unnötige Risiken eingegangen werden.

Verwendet werden sollte besser folgender Satz:

„Das Kraftfahrzeug wird unter Ausschluss jeder Gewährleistung verkauft – soweit nicht nachfolgend ausdrücklich Eigenschaften zugesichert sind.“

Bindungswirkung zwischen Strafurteilen und Zivilurteilen

Die oft vom Rechtsanwalt schwer zu vermittelnde Tatsache, dass es keine Bindungswirkung zwischen Strafurteilen und Zivilurteilen gibt, zeigt sich aktuell wieder in einem Rechtsstreit zwischen einem prominenten Wettermoderator und seiner ehemaligen Geliebten.

Nachdem ein Strafverfahren gegen den prominenten Wettermoderator wegen eines Sexualdelikts mit einem Freispruch endete, erstattete dieser Gegenanzeige und machte Schadensersatzansprüche geltend, unter Anderem wegen dem erlittenen Freiheitsentzug in der Untersuchungshaft. Das Zivilurteil endete mit einer Verurteilung der ehemaligen Geliebten, da diese nach Ansicht des Gerichts die Freiheitsentziehung durch eine bewußt falsche Anzeige verursacht habe. Das Strafverfahren gegen die ehemalige Geliebte wurde nunmehr aber eingestellt, da eine bewußt falsche Anzeige nicht mit der nötigen Sicherheit nachzuweisen sei.

Der Fall zeigt recht eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Behandlung eines Sachverhalts durch die verschiedenen Gerichtszweige sein kann.

Auch von mir wurde schon ein Fall betreut, in dem unter Vertretung durch einen anderen Strafverteidiger ein rechtskräftiges Strafurteil wegen Betruges erging, dann aber in dem von mir vertretenen Zivilprozess wegen der aus dem Betrug entstandenen finanziellen Schäden eine Klage auf Schadenersatz mit dem Argument abgewiesen wurde, dass eine Straftat nicht vorgelegen habe.

Solche Fälle sind nicht unbedingt die Regel, aber nach derzeitigem Recht möglich. Eine Abhilfe schafft hier das Adhäsionsverfahren, das aber in der Praxis kaum angewendet wird.

 

Mietpreisbremse verfassungswidrig?

Das Landgericht Berlin hat in einem Beschluss vom 14.09.2017 in dem Verfahren Az.: 67 O 149/17 darauf hingewiesen, dass seiner Auffassung nach die Mietpreisbremse in § 556d BGB verfassungswidrig sei. Diese verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da die Unterschiede zwischen den ortsüblichen Vergleichsmieten in deutschen Großstädten teilweise mehr als 70 % betrügen. Deshalb habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in verschiedenen Städten unterschiedlich hart treffe, wofür es keine ausreichenden Gründe gäbe.

So interessant dieser Beschluss auch ist, ist darauf hinzuweisen, dass er keine rechtskräftige Entscheidung darstellt und dementsprechend (zum der Beschluss auch nur von einem Landgericht stammt) keine Bindungswirkung für andere Gerichte entfaltet. Eine Rechtskräftige Entscheidung der Frage, wie auch eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht war nicht nötig, da der Rechtsstreit aus anderen Gründen entscheidungsreif war.

Gleichwohl ist damit zu rechnen, dass die zugrundeliegende Argumentation in zukünftigen Prozessen aufgegriffen werden wird und dementsprechend eine verbindliche Entscheidung, ggf. auch des Bundesverfassungsgerichts, in greifbare Nähe rückt.